Exklusiv in Deutsch – Bob Dylan über sein kommendes Album – Teil 3
8. April 2009 von Eric
Wie immer wünsche ich viel Vergnügen bei der Lektüre des dritten Teils dieses Interviews.
Bezieht sich der Song CHICAGO AFTER DARK, auf den neuen Präsidenten von Amerika?
Nicht wirklich. Es geht eher um die State Street und den Wind der vom Lake Michigan herüberweht, und darum, wie wir für manche Leute, die wir kennen, irgendwann nicht mehr das sind, was wir mal für sie waren. Ich habe versucht, einem Gefühl aus alten Zeiten nachzugehen.
Du mochtest Barack Obama schon von Anfang an. Warum?
Ich las sein Buch, und fand es sehr interessant.
„Audacity of Hope“ (Dt. Titel „Hoffnung wagen?“ ) ?
Nein, es hieß „Dreams of My Father“ (Dt. Titel „Ein amerikanischer Traum“)
Was hat dich so an ihm beeindruckt?
Nun, eine Vielzahl von Dingen. Er hat einen interessanten Hintergrund. Er ist wie ein fiktiver Charakter, aber er ist real. Seine Mutter hatte Wurzeln in Kansan, obwohl sie nie dort lebte. Du weißt schon, Kansas. John Brown der Aufrührer, Jesse James und Quantrill. Bushwhacker, Südstaatenguerillas, Zauberer von Oz, eben genau jenes Kansas. Ich denk in Baracks Stammbaum findet sich sicher irgendwo der Name Jefferson Davis. Und dann sein Vater, ein afrikanischer Intellektueller. Bantu, Masai, das Erbe der Grioten, Viehdiebe, Löwenjäger, und so weiter. Es ist einfach so unwahrscheinlich und unpassend dass diese beiden Leute sich kennenlernen und sich ineinander verlieben würden. Wenn du das verdaut hast, fängst du an seine Geschichte zu verstehen. Es ist wie eine Odyssee, nur mit dem Unterschied dass sie verkehrt herum läuft.
Inwiefern?
Zunächst einmal wurde Barack in Hawaii geboren. Die Meisten von uns stellen sich Hawaii als eine Art Paradies vor, also denke ich dass man sagen kann dass er im Paradies geboren ist.
Und man warf ihn aus dem Garten Eden.
Nicht ganz. Seine Mutter heiratete einen anderen Mann namens Lolo und nahm Barack mit zu sich nach Indonesien. Barack besuchte sowohl eine muslimische als auch eine katholische Schule. Um 4 Uhr morgens stand seine Mutter auf, und brachte ihm einige Lektionen aus seinen Büchern bei, 3 Stunden bevor er überhaupt zur Schule ging. Dann ging sie zur Arbeit. Das zeigt welche Art von Frau sie war, und das ist nur der Anfang dieser Geschichte.
Was hat dich sonst noch an ihm in den Bann gezogen?
Hauptsächlich die Art und Weise wie er gewisse Dinge sieht. Seine Art zu Schreiben geht dir durch Mark und Bein. Du fühlst und denkst zugleich, sowas ist schwer zu bewerkstelligen. Er sagt hochgradig ungewöhnliche Dinge. Während er sich beispielsweise zusammen mit einigen anderen Leuten einen Schrumpfkopf ansieht, fragt er sich ob sich irgendeiner von denen der Tatsache bewusst ist, dass sie auf einen ihrer Vorfahren blicken könnten.
Gibt es eine Stelle in seinem Buch die dich davon überzeugt dass er ein guter Politiker sein könnte?
Hm, nicht wirklich. Irgendwie glaubt man dass das Geschäft eines Politikers so ziemlich das Letzte wäre, was diesen Mann interessieren dürfte. Ich glaube dass er kurzzeitig einen Job als Investment Banker an der Wallstreet hatte, wo er deutsche Wertpapiere verkaufte. Aber er hätte wohl alles werden können. Wenn man sein Buch liest, weiß man dass die Politik es war, die sich ihm annäherte. Sie war einfach zum Greifen nahe.
Glaubst du dass er ein guter Präsident sein wird?
Ich weiß es nicht. Er wird der beste Präsident sein, der er sein kann. Die meisten seiner Vorgänger kamen mit den besten Absichten ins Amt, und verließen es als gebrochene Männer. Johnson wäre ein gutes Beispiel, auch Nixon, Clinton, Truman und der ganze Rest auf eine gewisse Art und Weise. Es ist wie wenn sie alle zu Nahe an der Sonne fliegen, und sich daran verbrennen.
Hast du jemals andere Autobiographien von Präsidenten gelesen?
Ja, ich hab Grants Biographie gelesen.
Wie war er? Gibts irgendwelche Gemeinsamkeiten?
Die Zeiten waren natürlich ganz andere, und Grant schrieb sein Buch nachdem er das Amt verlassen hatte.
Was fandest du interessant an ihm?
Er ist keineswegs ein großartiger Schriftsteller ist, er ist analytisch und kalt ohne allerdings einen Sinn für Humor zu entbehren. Grant war nicht nur ein Militärstratege, sondern auch ein hart arbeitender Mann, pflegte die Pferde, arbeitete mit ihnen und pflügte und furchte den Acker, brachte die Ernte ein, das Getreide und die Kartoffeln, schneidete Holz, und fuhr mit den Wagenzügen seit er ungefähr 11 war. Er erinnert sich glasklar an alle Schlachten denen er beiwohnte.
Erinnerst du dich an eine bestimmte Schlacht in der Grant gekämpft hat?
Es gab zahlreiche Schlachten, aber die Schlacht um Shiloh ist die Interessanteste. Er hätte sie verlieren können, aber er setzte alles daran sie zu gewinnen indem er alle Register zog, sogar einen vorgetäuschten Rückzug. Du kannst dir das selbst durchlesen.
Wenn man sich an den Bürgerkrieg zurückerinnert, übersieht man gerne dass es außer Gettysburg keine Schlacht gab die im Norden geschlagen wurde.
Ja, das unterscheidet den südlichen Teil des Landes wohl auch so sehr vom Norden.
Es besteht eine gewisse Sensibilität mit dem Umgang dieser Thematik, aber ich kann mir keinen Reim darauf machen.
Das muss die Luft im Süden sein. Sie ist erfüllt mit umherziehenden Geistern und ruhelosen Seelen. Sie schreien alle, sind verloren. Es ist als wären sie in einer Art Netz gefangen, einem Fegefeuer zwischen Himmel und Hölle in dem sie keine Ruhe finden. Sie können weder leben noch sterben. Es ist als wären sie im bestem Alter erwischt worden, als wollten sie jemandem etwas mitteilen. Man fühlt das überall, an jeder Ecke gibt es Schlachtfelder, sehr oft sogar in den Hinterhöfen der Leute.
Konntest du sie fühlen?
Ja, du wärst überrascht. Ich besuchte die Heimatstadt von Elvis, Tupelo. Ich versuchte zu fühlen was Elvis fühlte, als er dort aufwuchs.
Hast du die Musik gespürt, die Elvis gehört haben muss?
Nein, aber ich sag dir was ich gefühlt habe. Ich fühlte die Geister der blutigen Schlacht die Sherman gegen Forrest führte und ihn besiegte. Ein beängstigendes Gefühl beschleicht diese Stadt. Eine Traurigkeit die sich bis heute hält, Elvis muss das auch gespürt haben.
Bist du ein spiritueller Mensch?
Absolut
Hast du eine Ahnung warum?
Es ist wohl das Land. Die Bäche, die Wälder, die gewaltige Leere. Das Land formte mich, ich bin wild und einsam, sogar dann wenn ich die Städte bereise. In der Freiheit abseits der Ballungszentren der Städte bin ich eher zuhause. Aber ich habe eine Liebe für die Menschheit entwickelt, eine Liebe für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit. Ich denke ich habe eine gespaltene Natur. Ich bin eher der Abenteurer als der Typ für eine feste Bindung.
Aber im Grundtenor des Albums dreht sich doch alles um das Thema der Liebe. Wie sie gefunden, und verloren wird, wie Erinnerungen an alte Liebschaften wach werden, und wie sie verweigert wird.
Inspirationen sind etwas sehr Seltenes, man muss sie nutzen wenn man sie hat.
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